Vintage - gealtert oder alt?



Der Engländer versteht unter dem Begriff "Vintage" grundsätzlich Historisches. "A vintage car" ist also ein Oldtimer bzw. Oldsmobile, nicht aber eine alte, schrottreife Karre. Der Begriff adelt quasi alle Gegenstände, die tatsächlich alt und dadurch wertvoll sind. Daraus ergibt sich, dass sich nur der ein historisches Statussymbol leisten kann, der auch das Geld dafür hat.

Bei ins in Deutschland ist das allerdings anders. Hier wird der Begriff "Vintage" bevorzugt für Dinge verwendet, die mit verschiedenen Methoden auf alt getrimmt werden. Er bezeichnet in diesem Fall künstlich erzeugte Abnutzungs- oder Alterserscheinungen. Man findet gelegentlich auch den englischen Begriff "used" oder "used Look" dafür. Vintage klingt natürlich viel besser. Man altert damit Möbel, damit sie wie historische Bodenfunde mit Patina wirken. Zuweilen werden sogar die Bohrlöcher von Holzwürmern imitiert. Auch bei Lederjacken kennt man den "Vintage-Look", der sie getragen aussehen lässt. Am Beispiel Mode können wir uns außerdem auf die Jeans stürzen, die künstlich gebleicht, mit Löchern versehen oder durchgescheuert wird. Statt nun aber billiger zu sein, sind diese mit verschiedenen Methoden bearbeiteten Hosen deutlich teurer! Das macht in gewisser Weise Sinn, denn es sind mehr Arbeitsschritte nötig als bei normalen Jeans. Andererseits wird die künstliche Alterung aber häufig zu niedrigstem Lohn in Billiglohnländern durchgeführt und man bezahlt eigentlich eher das am Schluss der Behandlung aufgenähte Label. Der Vintage-Begriff wird auch gerne genutzt, um preislich ordentliche Margen aufzuschlagen. Trotzdem hält manches gute Stück nach einer Sandstrahlung nicht halb so lange wie eine unbehandelte Jeans. Lederjacken sind vom Ausgangsmaterial her weitaus hochwertiger und sehen im Vintage-Look prima aus. An der Haltbarkeit dürfte er nicht allzu viel ändern.

Vintage Mode

Im eigentlichen Sinne ist mit "Vintage" aber eine eigenständige Moderichtung bzw, ein designerischer Stil beschrieben. Er versetzt uns modisch in die 30er bis 70er Jahre zurück. Ein Bekleidungsstück mit dem Prädikat "Vintage" ist also entweder ein auf alt getrimmtes oder tatsächlich altes Stück, das aus Designerhand stammt. Das sind nun aber zwei ganz verschiedene paar Schuhe! Die Wikipedia spricht der Schauspielern Julia Roberts zu, den Vintage-Begriff in der Modewelt etabliert zu haben. Sie trug 2001 ein fast 20 Jahre altes Kleid von Valentino zu einer Oscar-Verleihung und machte damit Furore. Statt nach immer neuen Modehorizonten zu streben, besann man sich nun auf Retro-Qualitäten. Würde dies ein modischer Trend des 21. Jahrhunderts, könnte manche Darstellerin immerhin eine Robe mehrfach im Leben tragen. Sie müsste nur sich genug Zeit zwischen den einzelnen Auftritten lassen. Fakt ist aber, dass die meisten Schauspielerinnen ihre Roben ohnehin nur leihen und den Designern damit einen kostenlosen Laufsteg-Effekt bescheren. Verlangt man in einem Krawattenstore einen "Vintage Tie", bekommt man eine Krawatte aus den Vierzigern oder Fünfzigern vorgelegt. Krawatten aus Kuba oder den USA werden mit "Vintage" bezeichnet, wenn sie tatsächlich ein bestimmtes Alter haben.

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